Waltenhofen/Rauns „Als Malerin kann ich keine leere Wand sehen“, sagt
Anneliese Dorn. Soeben hat sie ihr jüngstes Gemälde dem
Gesundheitszentrum Sportpark in Waltenhofen zur Verfügung gestellt. Dort
füllt jetzt ihr großformatiges Bild zur Corona-Pandemie eine hohe Wand im
Empfangsbereich aus. Über einer Gruppe junger Menschen in einem
Restaurant schweben eine ganze Menge überdimensionaler Corona-Viren. Das
Licht ist schwach, die Farben düster, die Stimmung gedrückt. Den Augen der
Leute sieht man den Schrecken über die ungebetenen Eindringlinge noch an.
Auch wenn das Bild nicht besonders erheiternd ist, wird es von den Besuchern
der Praxis positiv aufgenommen, sagt Zentrumsleiter Maximilian Schoener.
Besonders zufrieden ist aber Anneliese Dorn, denn wieder konnte sie eine
weiße Wand mit Kunst beleben. Dieser Gedanke war auch ihr ursprünglicher
Impuls, um überhaupt mit dem Malen zu beginnen. Seitdem hat sich die
Waltenhofenerin nicht nur selbst das Handwerk des Malens beigebracht.
Schon bald gab die Autodidaktin ihr Wissen auch als Dozentin an der
Volkshochschule weiter. Das macht sie nun schon seit 40 Jahren. Die 72-
Jährige unterrichtet damit so lange wie keine Lehrkraft vor ihr an
der Bildungseinrichtung. Den Vertrag für ihren ersten Lehrauftrag vom Januar
1980 hat sie bis heute aufbewahrt. „Es ist wirklich außergewöhnlich, wenn
jemand 40 Jahre ununterbrochen sein Wissen weitergibt“, sagt der Leiter der
Kemptener Volkshochschule, Peter Roth.
Alles begann mit Hinterglasmalerei. Doch schon bald übernahm Anneliese
Dorn die Kurse ihres Lehrers Stefan Prestel an der Volkshochschule. Nach dem
Boom für genaue und kleinformatige Ölmalerei hinter Glas in den 1980er
Jahren wandte sie sich zunächst der Seidenmalerei zu, später dann dem
luftigeren und leichteren Aquarell. Das jedoch bedarf einer langjährigen Übung,
um die angestrebte Leichtigkeit zu erreichen. „Ich muss immer etwas Neues
ausprobieren, mit neuen Farben und Techniken“, erzählt Dorn. Daher hat sie
Akademie- und Sommerkurse in Bad Reichenhall, Irsee, Betzigau und auf
Malreisen absolviert – nicht nur mit Wasserfarben, sondern auch mit Acrylfarben.
Malen und Unterrichten mache ihr großen Spaß, auch wenn man viel Geduld
brauche. „Ich gebe viel preis und male vor, deswegen habe ich noch Leute, die
meine Kurse besuchen“, sagt sie selbstbewusst. „Ich mag Dozenten nicht, die
nur durch Reden unterrichten. Manche Künstlerdozenten wollen wenig zeigen,
weil sie Konkurrenz fürchten.“ Auf sie treffe das nicht zu, denn sie müsse nicht
von der Kunst leben. Sie konnte sich nach einer Zeit im Büro um Familie und
Kunst kümmern, da ihr Mann gut verdient hat.
Anneliese Dorn in ihrem Atelier. Foto: Harald Holstein
Sie malt gern mit den Enkeln
Dorns Bildmotive sind überwiegend gegenständlich. Manchmal finden sich
zwischen den Blumen, Allgäuer Landschaften, Stadtansichten, Hirschen und
Golfspielern auch abstrakte Bilder mit aufgeklebten Pinseln oder Metallstaub.
Bis heute macht ihr das Malen viel Freude, gerne auch mit ihren Enkeln bei
Geburtstagen. Malen und Zeichnen sei gerade in Corona-Zeiten ein sehr gutes
Mittel, um einen seelischen Ausgleich zu finden, sagt sie. Man könne es sehr gut
alleine machen und sich dabei aktiv verwirklichen.
Anneliese Dorn wird jedenfalls die Kunst und die Lehre nicht so schnell
aufgeben. Als Leiterin der Außenstelle der Volkshochschule in Waltenhofen hat
sie ab Ende Januar schon wieder drei Abende mit Aquarell geplant, und vier
mit Acryl in Kempten und Waltenhofen.
Harald Holstein
weiter zur Galerie Presseberichte